Die SPIEGEL-Ausgabe 21/2014 befasste sich in ihrer Titelgeschichte mit Arbeitnehmern, die trotz Rentenalter
noch arbeiten. Der Artikel war eine schlechte Umsetzung von PR-Propaganda zur
Titelgeschichte. Als Beispiele durften wenig repräsentative Mitmenschen
herhalten. Eine Putzfrau in Teilzeit, die aufgrund ihrer geringen Rente und
eines pflegebedürftigen, behinderten Sohnes noch im hohen Alter arbeiten muss.
Und gut ausgebildete Männer, die entweder während ihres Erwerbslebens als (erfolgreiche)
Selbständige keine Beiträge in die Sozialkassen abgeführt haben oder nicht ohne
Chef-Status auskommen können. Außerdem ein Rentner, der nicht mehr 40 Stunden
pro Woche Vollzeit arbeitet, sondern lediglich zwei Tage in der Woche. Und das aufgrund
seines Mangels an Freizeitbeschäftigung. Diese schlecht gewählten Beispiele
sollten als Querschnitt der Rentner dienen. Sowie als Plädoyer für die Anhebung
des Rentenalters.
Als Gewerkschafter kann ich das
nicht hinnehmen, weil eine Minderheit über das Renteneintrittsalter hinaus
berufstätig bleiben will. Dagegen genießen viele Rentner berechtigt ihr Dasein.
Jedoch gab es zu dem
Thema auch Leserbriefe. Beispielsweise den von Elisabeth Vogel aus
München und Rainer Sturm aus Herne. Sturm schrieb, dass seine Generation den
Krieg und die enthaltsamen Nachkriegsjahre miterlebt und die Gesellschaft
wieder aufgebaut habe. Das stimmt eindeutig. Jedoch schreibt er auch, dass den
nachfolgenden Generationen diese erbrachten Leistungen als Nachlass zur
Bewahrung übergeben werden. Oha!
Sturm verkennt, dass sich eine
Gesellschaft ständig weiterentwickelt und nicht nur historische Errungenschaft
bewahrt. Es gibt kein Ende der Geschichte, wie es viele Menschen nach 1990
glaubten.
Beispielsweise vollbringen
heutige Generationen im berufstätigen Alter Leistungen, von denen auch spätere
Generationen profitieren. Etwa die Vernetzung der Welt. Ich bezweifle, dass
Herr Sturm und seine Altersgenossen Glasfaserkabel für den schnellen
Internetzugang gelegt haben. Ferner profitieren nicht nur die nachfolgenden
Generationen von den erbrachten Leistungen, sondern auch die Rentner wie Herr
Sturm. Die Häuser, die nach dem Krieg aufgebaut worden sind, kommen nicht nur
den Jungen zugute. Außerdem hat Herr Sturm leicht reden. Hat er sich jemals bei
seiner Urururoma bedanken und diese würdigen können? Aber das ist auch egal.
Herr Sturm sollte auch bedenken,
dass seine Generationen zwar das goldene Zeitalter ist, jedoch mit nicht immer
würdigungsvollen Nachlass. Beispielsweise gab es nach 1990 Einschnitte bei den sozialen
Errungenschaften und die Liberalisierung der Märkte, woran später die heutige
Jugend noch zu knabbern haben wird.
Wir sollten aufhören, unsere
jeweils eigene Generation als das Maß aller Dinge zu betrachten. Die Wahrheit
hat keiner gepachtet. Fakt ist, dass die alten Mitmenschen ihre Rente oder ihre
Pensionen verdient haben. Jedoch ging es bislang keiner Rentnergeneration so
gut wie der heutigen. Und keiner zukünftigen Generation wird es jemals so gut
gehen. Deshalb fragte ich einen befreundeten Bio-Statistiker, wie hoch meine
Lebenserwartungen sind. Und ich war erschrocken, weil ich unbedingt nebenbei
für’s hohe Alter sparen muss. Das macht mir Angst, weil Riestern unsicher ist.
Lebensversicherungen? Bitte nicht! Ein Eigenheim? Aber heutige Arbeitgeber
erwarten Mobilität und Flexibilität, und dann habe ich mit immer höheren
Krediten zu kämpfen! Das war alles früher nicht der Fall.
Durch die hohen Renten von heute wird
die heute erwerbstätige Generation unverhältnismäßig belastet. Das ist auch
nicht richtig. Deswegen bedarf es unbedingt eine Bürgerrente wie in der
Schweiz, bei der jeder einzahlt und jeder den gleichen Anspruch hat, damit die
Gnade der späten Geburt nicht zur Rache an der späten Geburt wird. Generationengerechtigkeit
ist soziale Gerechtigkeit, bei der die Jungen wie die Alten, die Reichen wie
die Sozialschwachen ihren Beitrag leisten und Anerkennung erfahren. Ein
Ausspruch wie „Schämt Euch!“ ist deshalb unangebracht, was meinen Sie dazu,
Herr Sturm?
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