Dienstag, 20. Mai 2014

Tragik oder Romantik?



Es war in der elften Klasse. Der dritte Lehrer in diesem bestimmten Fach hatte gerade an unserer Schule fußgefast. Es war der dritte Lehrer während eines Schuljahres. Und es war das Fach, das in jedem Bundesland anders heißt (Sozialwissenschaften in NRW, Sozialkunde in Bayern, Berlin und anderen ostdeutschen Ländern). Dieser Lehrer war Herr Klameth. Er kam aus dem wunderschönen Frankfurt am Main, wo er bis dahin an der Goethe-Universität im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften tätig war. Er erzählte uns, woran er früher gearbeitet hat. Und zwar forschte er zur Obdachlosigkeit. Dabei fand er heraus, dass Obdachlose mehrheitlich gut ausgebildete Mitmenschen sind, die einen derben Tiefschlag in ihrem Leben hatten. Weil vielleicht das eigene Kind oder der Partner gestorben ist. Das ist traurig.

Als ich letztens einkaufen war, sah ich einen heruntergekommenen Mann, der sich massenhaft mit Bier eindeckte. Offensichtlich war er Alkoholiker. Ich habe ihn schon öfter gesehen, wie er an Bushaltestellen und auf Bänken sein Bier konsumierte. Dabei pöbelte er niemals herum. Stets war er vollkommen harmlos.
Beim letzten Mal, als ich ihn sah, fiel mir auf, dass er von seiner Frau redete und gleichzeitig einen Ehering sowie noch einen weiteren, ähnlichen Ring trug. Das machen viele Leute, wenn der Partner verstorben ist. Beispielsweise trägt Helmut Schmidt seinen Ring sowie den von seiner Loki.

Das wirft bei mir nun die Frage auf: Ist der alkoholkranke Obdachlose aus meiner Nachbarschaft eine tragische oder eine ausgeprägt romantische Person, weil er scheinbar über den Tod seiner Partnerin nicht hinwegkommt.

Um das herauszufinden, sollte ich Jesus zum Vorbild nehmen. Er ist auch zu den Obdachlosen, Bettlern und Prostituierten gegangen (vgl. Lukas 7, 36-50). Die Bibel unterstellt Jesus andere Intentionen, als es nun bei mir anklingt. Jedoch wäre das auch nicht verwerflich, wenn Jesus Prostituierte mit einer sexuellen Absicht aufgesucht hätte. Solange die Damen nicht gezwungen wurden und Jesus Single war, ist das nicht sündhaft.

Liebe Leserinnen und Leser, das soll also nicht heißen, dass ich Ihnen eine Rechtfertigung für den nächsten Bordellbesuch erteile. Bloß weil Jesus auch bei Prostituierten war. Wenn Sie in den Puff gehen wollen, machen Sie es doch wie Tracy Jordan aus „30 Rock“ in Folge 1 der zweiten Staffel („Seinfeld Vision“). Dort fragt Tracy seine Chefin Liz Lemon, nachdem er von seiner Frau rausgeworfen wurde und nun sein Quartier an seinem Arbeitsplatz bezieht, wie lange sich beide nun kennen. Liz antwortet, dass es bereits ein Jahr sei. Daraufhin Tracy: „Also weißt Du, dass ich ein Herz für Tranvestitenstriche habe?!“ Liz wusste das natürlich nicht. Dann antwortet Dotcom aus Tracys Entourage: „Das ist wahr. Er macht nichts mit denen. Er will sie nur zu einem Computerkurs überreden.“

Liz: „Ah!“

Nun wieder Tracy: „Also am Labour-Day-Wochenende [Wochenende um den Tag der Arbeit in den USA, erster Montag im September; eigene Anmerkung] sehe ich diese junge Transe am Müllcontainer an der 44. [Straße in New York; eigene Anmerkung]. Ich fahre rechts ran und sage: ‚Du musst Dein Leben doch nicht so verstreichen lassen. Du könntest auch ein artiges Muschilein werden und Daten eintippen. Wie wäre es mit einem Job als Gerichtsreporterin? Glaub einfach an Dich selbst!‘“

Das ist natürlich nicht schlecht, jedoch sollte ich mir eine bessere Ansprache einfallen lassen.

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