Ende 2013 war die Welt noch halbwegs
in Ordnung. Die Ukraine war ein friedliches Land zwischen der EU und Russland.
In ihrem Expansionsbestreben wollte die EU die Ukraine aus der Einflusssphäre
Russlands herauslösen, indem die Ukraine ein Assoziierungsabkommen mit der EU
unterschreibt. Das schmeckte Russland so gar nicht. Vergleichbar ist das mit den
deutschen Befürchtungen, dass das Vereinigte Königreich die Europäische Union
verlässt. Und diese Gefahr besteht tatsächlich.
Weil die Russen die Ukraine als
ihre Domäne betrachten, nahm die russische Administration auf die ukrainische
Regierung Einfluss. Das ist vollkommen legitim. Jeder Staat verfolgt
schließlich seine Außenpolitik. Und der damalige ukrainische Präsident Viktor
Janukowytsch, der laut SPIEGEL-Angaben sein Land stärker als Julija Tymoschenko
oder Viktor Juschtschenko auf westlichen Kurs brachte, schwenkte auf russischen
Kurs ein und verprellte damit die EU.
Tja, das ist dumm gelaufen. Für
viele Beteiligte sogar. In Folge dieser Ereignisse wurde Janukowytsch aus
seinem Amt gejagt. Eben ein Bauer als Bauernopfer, aber so kommen die Dinge
manchmal.
Neben der Niederlage des
bestehenden Systems in der Ukraine waren weitere Folgen die Unabhängigkeitsbestrebungen
in vielen Regionen der Ukraine. Die Krim erklärte sich von der Ukraine
unabhängig und trat darauf der Russischen Föderation bei. Und wenn man ehrlich
ist, hat sich doch jeder von uns seit längerem gefragt, wann Russland endlich
die Krim der Ukraine abkauft. Doch es kam etwas anders. Und seit der Loslösung
der Krim aus der Ukraine wird der russische Völkerrechtsbruch in den westlichen
Medien angekreidet.
Ganz ehrlich: Sauber war die
Sache wirklich nicht, weil die russische Einflussnahme offensichtlich war. Doch
warum empören sich gerade so viele westliche Staaten darüber? Weil die
Souveränität der Krim nicht weltweit anerkannt wurde, weil die Ukraine sich
dagegen aussprach?
Hm, am 17. Februar 2008 erklärte
sich das Kosovo für unabhängig. Viele westliche Staaten erkannten daraufhin das
Kosovo als eigenständigen Staat an. Doch gegen die Unabhängigkeit sprachen sich
Serbien und Russland aus. Staaten wie China, Spanien, Griechenland, Zypern,
Rumänien und die Slowakei haben bislang ebenfalls das Kosovo nicht als Staat
anerkannt.
Warum fällt uns der deutsche Völkerrechtsbruch
im Fall des Kosovos so leicht, während wir bei der Krim so vehement gegen den
russischen Völkerrechtsbruch wettern?
Vielen Außenpolitikern,
Diplomaten, Militärs und Geheimdienstlern hätte das Dilemma um die Ukraine
vorher bewusst sein müssen. Im Vorfeld der Assoziierung zwischen EU und Ukraine
hätte man Willy Brandt zum Vorbild nehmen sollen. Brandt ist als erstes nach
Moskau, anschließend nach Warschau, Prag und andere ostmittel- sowie
osteuropäische Hauptstädte des damaligen Ostblocks gegangen, um eine Annäherung
an die DDR zu erzielen. Gleiches hätte man auch im Vorfeld der Verhandlungen
mit der Ukraine tun sollen. Gut, nachher ist man immer schlauer.
Ebenfalls das Vertrauen auf die
außenpolitischen Fähigkeiten des ehemaligen polnischen Staatspräsidenten
Alexander Kwaśniewskis, der maßgeblich an der EU-Ostpolitik beteiligt war, stellt
einen großen Fehler dar. Die polnische Außenpolitik richtet sich regelmäßig
gegen Russland, was kontraproduktiv ist. Man sollte zukünftig weniger auf die
Kenntnisse und Fähigkeiten eines direkten Nachbarn vertrauen, bloß weil man
glaubt, dass deshalb die Verhandlungen zielführender sind. Stattdessen ist eine
größere Entfernung des Heimatlandes eines Verhandlungspartners zu dem Land des
jeweiligen Gegenparts sinnvoller. Dadurch ist mehr Objektivität gegeben. Folglich
wären beispielsweise Portugiesen für Verhandlungen mit Russland oder der
Ukrainer geradezu prädestiniert.
Bei der Debatte um die Zukunft
der Ukraine, der Beziehungen zu Russland und der EU vermisse ich die Einsicht
westlicher Politiker, Verständnis für Russland und Selbstreflexion wie in Bezug
auf das Kosovo.
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