Donnerstag, 19. Juni 2014

Krimkrise 2014



Ende 2013 war die Welt noch halbwegs in Ordnung. Die Ukraine war ein friedliches Land zwischen der EU und Russland. In ihrem Expansionsbestreben wollte die EU die Ukraine aus der Einflusssphäre Russlands herauslösen, indem die Ukraine ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterschreibt. Das schmeckte Russland so gar nicht. Vergleichbar ist das mit den deutschen Befürchtungen, dass das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlässt. Und diese Gefahr besteht tatsächlich.

Weil die Russen die Ukraine als ihre Domäne betrachten, nahm die russische Administration auf die ukrainische Regierung Einfluss. Das ist vollkommen legitim. Jeder Staat verfolgt schließlich seine Außenpolitik. Und der damalige ukrainische Präsident Viktor Janukowytsch, der laut SPIEGEL-Angaben sein Land stärker als Julija Tymoschenko oder Viktor Juschtschenko auf westlichen Kurs brachte, schwenkte auf russischen Kurs ein und verprellte damit die EU.

Tja, das ist dumm gelaufen. Für viele Beteiligte sogar. In Folge dieser Ereignisse wurde Janukowytsch aus seinem Amt gejagt. Eben ein Bauer als Bauernopfer, aber so kommen die Dinge manchmal.

Neben der Niederlage des bestehenden Systems in der Ukraine waren weitere Folgen die Unabhängigkeitsbestrebungen in vielen Regionen der Ukraine. Die Krim erklärte sich von der Ukraine unabhängig und trat darauf der Russischen Föderation bei. Und wenn man ehrlich ist, hat sich doch jeder von uns seit längerem gefragt, wann Russland endlich die Krim der Ukraine abkauft. Doch es kam etwas anders. Und seit der Loslösung der Krim aus der Ukraine wird der russische Völkerrechtsbruch in den westlichen Medien angekreidet.

Ganz ehrlich: Sauber war die Sache wirklich nicht, weil die russische Einflussnahme offensichtlich war. Doch warum empören sich gerade so viele westliche Staaten darüber? Weil die Souveränität der Krim nicht weltweit anerkannt wurde, weil die Ukraine sich dagegen aussprach?

Hm, am 17. Februar 2008 erklärte sich das Kosovo für unabhängig. Viele westliche Staaten erkannten daraufhin das Kosovo als eigenständigen Staat an. Doch gegen die Unabhängigkeit sprachen sich Serbien und Russland aus. Staaten wie China, Spanien, Griechenland, Zypern, Rumänien und die Slowakei haben bislang ebenfalls das Kosovo nicht als Staat anerkannt.

Warum fällt uns der deutsche Völkerrechtsbruch
im Fall des Kosovos so leicht, während wir bei der Krim so vehement gegen den russischen Völkerrechtsbruch wettern?

Vielen Außenpolitikern, Diplomaten, Militärs und Geheimdienstlern hätte das Dilemma um die Ukraine vorher bewusst sein müssen. Im Vorfeld der Assoziierung zwischen EU und Ukraine hätte man Willy Brandt zum Vorbild nehmen sollen. Brandt ist als erstes nach Moskau, anschließend nach Warschau, Prag und andere ostmittel- sowie osteuropäische Hauptstädte des damaligen Ostblocks gegangen, um eine Annäherung an die DDR zu erzielen. Gleiches hätte man auch im Vorfeld der Verhandlungen mit der Ukraine tun sollen. Gut, nachher ist man immer schlauer.

Ebenfalls das Vertrauen auf die außenpolitischen Fähigkeiten des ehemaligen polnischen Staatspräsidenten Alexander Kwaśniewskis, der maßgeblich an der EU-Ostpolitik beteiligt war, stellt einen großen Fehler dar. Die polnische Außenpolitik richtet sich regelmäßig gegen Russland, was kontraproduktiv ist. Man sollte zukünftig weniger auf die Kenntnisse und Fähigkeiten eines direkten Nachbarn vertrauen, bloß weil man glaubt, dass deshalb die Verhandlungen zielführender sind. Stattdessen ist eine größere Entfernung des Heimatlandes eines Verhandlungspartners zu dem Land des jeweiligen Gegenparts sinnvoller. Dadurch ist mehr Objektivität gegeben. Folglich wären beispielsweise Portugiesen für Verhandlungen mit Russland oder der Ukrainer geradezu prädestiniert.

Bei der Debatte um die Zukunft der Ukraine, der Beziehungen zu Russland und der EU vermisse ich die Einsicht westlicher Politiker, Verständnis für Russland und Selbstreflexion wie in Bezug auf das Kosovo.

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