Die Schwemme an Quiz-Shows im
deutschen Fernsehen ist enorm. Jörg Pilawa soll gegen das Quotentief im
Vorabendprogramm des Ersten ankämpfen. Günther Jauch ladet immer noch regelmäßig
zu seinem Millionen-Quiz ein. So hat jeder deutsche Staatsbürger mittlerweile
die Chance, einmal Gast bei einer Quiz-Sendung zu sein. Und die Chancen stehen
gut, schließlich ist das Niveau für eine gemäßigte Summe bei Günther Jauch
nicht sonderlich hoch. Gleiches gilt für die Sendung von Jörg Pilawa.
Sicherlich ist es einfach, sich aus dem Hintergrund heraus darüber zu
echauffieren. Wenn man Gast bei einem Fernseh-Quiz ist, spielen viele Faktoren,
die einem den Gewinn verhageln können, eine Rolle. Das sind Aufregung und
Lampenfieber. Wer steht schon in seinem wirklichen Leben professionell vor der
Kamera oder vor einem Publikum? Gleichzeitig geht es bei diesen Quiz um Geld.
Wer will also eine bereits erkämpfte, stattliche Summe so einfach auf’s Spiel
setzen? Lieber 15 000 Euro als nichts. Also bloß keine Blöße geben. Da ist dann
auch die Million egal.
Deswegen ist Günther Jauch als sogenannter
Talker ins Erste gewechselt, weil solche Quiz-Sendungen aufgrund von mangelnder
Spannung mittlerweile ihren Charme verlieren. Außerdem bieten politische Talkshows
mehr Unterhaltung und Spannung als ein gewöhnlicher Gewinner von 32 000 Euro,
zumal der Gewinner einer Debattierrunde nicht zwangsläufig feststeht. Für sein
Engagement als Talker kriegt Jauch vom Auftrag gebenden NDR 10,5 Millionen Euro
und muss nur 39 Sendungen pro Jahr abliefern. Für solch eine Summe setze ich
mich auch gern 39-mal im Jahr für jeweils eine Stunde vor die Kamera. Viel
passieren kann ja nichts. Politik soll für den Bürger einfach und oberflächlich
bleiben. Der Zuschauer darf nicht überfordert werden. Sonst könnten wir ja
gleich Helmut Schmidt und Reinhold Beckmann allabendlich sabbeln lassen.
Und an die Vorgaben hält sich
Jauch auch hervorragend. Zu sehen war es am vorgestrigen Wahlabend. Nach der
Europawahl 2014 am Sonntag, dem 25. Mai, hatte Jauch Juli Zeh, Wolfgang
Schäuble, Peer Steinbrück und Giovanni di Lorenzo bei sich zu Gast. Man
schlapperte ein bisschen hierüber, ein bisschen darüber. Alles ohne tiefgreifende
Erkenntnisse.
Jedoch versuchte sich die
Schriftstellerin und Juristin Juli Zeh darin. Die Wahrheiten, die sie von sich
gab, waren allgemein bekannt und unbestritten. Allerdings versuchte sich Zeh
auch in neuen Erkenntnissen. Und zwar in folgender: „Die Europäische Union ist
erstmalig der Versuch eines friedlichen Miteinanders in Europa.“
Nein, das stimmt nicht. Doch
keiner widersprach. Es gab nämlich auch vorher Versuche. Diese blieben nur alle
auf lange Sicht erfolglos. Nach dem Dreißigjährigen Krieg gab es 1648 den
Westfälischen Frieden. Der Wiener Kongress von 1815 war die Konsequenz der
Napoleonischen Kriege. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs legte Woodrow Wilson 1918
sein 14-Punkte-Programm vor, was die Schaffung des Völkerbundes als Vorläufer
der Vereinten Nationen beinhaltete. Die Vereinten Nationen und die EU wurden
als Konsequenz des Zweiten Weltkriegs gegründet. Diese vielen Bemühungen waren
deshalb bislang erfolglos, weil sie Kriege als probates und legitimes Mittel
zur Umsetzung der Außenpolitik nicht kategorisch missbilligten. Heute werden
Angriffskriege zwar verurteilt. Das Verteidigen des eigenen Landes oder der
Beistand von anderen Ländern dagegen nicht.
So schwadronierte Zeh weiter rum.
Tja, das Thema NSA-Ausspähaffäre ist also doch etwas einfacher. Da kann man klar
mit dem Finger auf den Übeltäter zeigen, ohne dass sich jemand dagegen auflehnt.
Jedenfalls kein einziger Widerspruch
in der Runde. Auch nicht von Steinbrück. Dafür wurde Steinbrücks Aussagen
ebenfalls nicht widerlegt. So sagte Steinbrück aus, dass die EU-Kommission
nicht nach der Gewaltenteilung von Montesquieu arbeite. Schließlich sei die
Kommission eine Mischung aus Legislative und Exekutive. Doch hat sich
Steinbrück auch in der bundesdeutschen Wirklichkeit umgeschaut, wo
Anwaltskanzleien und Lobbyverbände im Auftrag von Ministerien Gesetze
ausarbeiten? Und diese Gesetze werden dann durch Fraktionszwang in der
Koalition abgenickt. Der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim hat das in „Das
System“ und andere Büchern mehrfach belegt. Ja, das waren noch Zeiten als die
Aristokratie, die Herrschaft der Besten auf Deutsch, vorherrschte. So darf
mittlerweile jeder ein bisschen plappern, was ihm gerade in den Sinn kommt. Das
ist auch nicht verwunderlich an einem Wahlabend, an dem jeder euphorisch ist
und sich als Gewinner sieht. Also sei es Schäuble, Steinbrück und auch Zeh
sowie di Lorenzo vergönnt.
Alle fünf ließen sich gegenseitig
gewähren. Schließlich bedarf ein Auftritt in einer politischen Talkshow ja ein
paar politischer Inhalte gepaart mit Oberflächlichkeit und Eloquenz. Und damit
zeigt sich erst am Ende der Runde, wer gewonnen hat. Das ist dann der Gast, der
am meisten geredet hat, ohne Widersprüche zu erhalten.
Doch man kann auch dadurch
gewinnen, indem man einen Gast gegen die Widersprüche eines anderen oder ohne
Widerspruch beiseite springt. So geschah es auch in der gleichen Sendung von
Günther Jauch, als Giovanni di Lorenzo unaufgefordert erklärte, dass er wie
Peer Steinbrück massenhaft Glühbirnen im Keller hortet.
In seiner geselligen Kaffeerunde
erklärte dann Günther Jauch dazu: „Ich auch.“ Vermutlich wollte Jauch auch
einmal Gewinner sein, nachdem er so viele politische Talkshows moderiert und so
vielen Bürgern Geld geschenkt hat. Damit verabschiedete sich die gesellige
Runde, schließlich waren sich alle einig, nachdem alles thematisch kurz
angerissen wurde. Nun freue ich mich auf die nächste Ausgabe der Lindenstraße,
die garantiert mehr Spannung und Zwietracht bietet. Und da gilt es als verpönt,
wenn man keine Sparlampen nutzt. Also hortet Mutter Beimer keine im Keller!